H₂News: Frau Alvermann-Schuler, wann hat Gasunie mit dem ersten Wasserstoff-Projekt begonnen?
Anke Alvermann-Schuler: Wir befassen uns auf Konzernebene seit einigen Jahren unter anderem mit dem Transport von Wasserstoff. In der Provinz Zeeland in den Niederlanden betreibt Gasunie bereits seit dem Jahr 2018 eine Wasserstoffpipeline, die zwei Industriekunden miteinander verbindet. Im gleichen Jahr sind übrigens auch bei Gasunie Deutschland erste Projektideen entstanden. Die Planungen für den ersten Abschnitt von „Hyperlink“ haben wir im Jahr 2022 aufgenommen. Im Sommer 2023 haben wir mit den Bauarbeiten an der Gasleitung begonnen und noch im gleichen Jahr die ersten 55 Kilometer zwischen Bremen und Hamburg erfolgreich umgerüstet. Wenn Sie so wollen, haben wir also letzten Sommer mit unserem ersten Projekt begonnen.
H₂News: Welche Schritte planen Sie als nächstes?
Frau Alvermann-Schuler: Aktuell sind wir unter anderem im Raum Wilhelmshaven sehr aktiv. In Kürze stellen wir den zuständigen Behörden im Rahmen einer Antragskonferenz die Eckpunkte des Projekts vor. Im anschließenden Planfeststellungsverfahren wird es dann um die detaillierte Projektplanung gehen. Um die vielfältigen Wasserstoffprojekte in der Jade-Weser-Region möglichst bald durch unsere Infrastruktur zu unterstützen, streben wir diesen Schritt bereits im ersten Quartal des nächsten Jahres an. Darüber hinaus sind die Umbaumaßnahmen für Hyperlink weiterhin in vollem Gange. Wir werde in diesem Jahr nochmal etwa 80 Kilometer unseres Leitungsnetzes auf Wasserstoff umrüsten. Noch vor den Weihnachtstagen wollen wir damit fast 15 Prozent der geplanten Leitungslänge im Rahmen des Hyperlink-Projekts umgesetzt haben.
H₂News: Hyperlink wurde 2024 als Important Projects of Common European Interest (IPCEI) ausgezeichnet. Wie kann es sein, dass Sie bereits 2023 mit den Bauarbeiten begonnen haben?
Frau Alvermann-Schuler: Wir haben uns für einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn entschieden, weil wir an den Wasserstoffmarkt und den Hochlauf glauben. Wir sind überzeugt, dass der Energieträger von großer Bedeutung für die Dekarbonisierung der Industrie und das Gelingen der Energiewende ist. Durch die frühzeitige Bereitstellung der Infrastruktur wollen wir einen positiven Impuls für den Hochlauf des Wasserstoffmarktes setzen. Auf dieses Commitment bin ich auch persönlich sehr stolz. Denn als wir im vergangenen Sommer die ersten Umbaumaßnahmen begonnen haben, war das Finanzierungsmodell für das Wasserstoffkernnetz noch nicht geklärt. Die Bescheide der IPCEI-Förderung haben wir – ebenso wie die anderen Projektbetreiber – erst im Juli dieses Jahres erhalten. Dennoch haben wir bereits im Jahr 2023 konkrete Maßnahmen aufgenommen.
H₂News: Wie einfach war es für Gasunie, nicht auf den Förderbescheid zu warten, sondern ohne gesicherte Förderung zu beginnen?
Frau Alvermann-Schuler: Mit Blick auf das gesamte Wasserstoffkernnetz tragen wir natürlich nur einen gewissen Teil des finanziellen Risikos. Die FNBs investieren gemeinsam etwa 20 Milliarden Euro in das Kernnetz, das insgesamt etwa 10.000 Kilometer umfassen wird. Gasunie bringt dabei mit Hyperlink einen Anteil von etwa 1.000 Kilometer Leitungsnetz ein. Wie sich anhand dieser Zahlen überschlagen lässt, gehen damit Investitionen im Milliardenbereich für uns einher. Im Vergleich dazu haben wir für die Umbaumaßnahmen im vergangenen Jahr circa 11 Millionen Euro investiert.
H₂News: Wieso konnten Sie dieses Risiko eingehen und andere FNB nicht?
Frau Alvermann-Schuler: Ich denke, hier spielt nicht zuletzt unsere Eigentümerstruktur eine wichtige Rolle. Als Staatunternehmen ist Gasunie in den Niederlanden direkt dem Finanzministerium unterstellt. Damit geht zugleich ein besonderes Bewusstsein bezüglich unseres öffentlichen Auftrages einher. Neben der Gewährleistung der Versorgungssicherheit betrifft dieser auch die Energiewende in den Niederlanden, Deutschland und Europa. Die günstige geographische Lage unseres Netzes in Nordwestdeutschland birgt dabei viele Möglichkeiten, aber auch besondere Verantwortung. Wir haben uns auf gesellschaftlicher Ebene dazu entschieden, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Dies setzt voraus, dass wir für dieses gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und etwas tun. Da wir wissen, dass der Wasserstoffhochlauf ohne zuverlässige Transportnetze sowie die Anbindung von wichtigen Speicher-, Produktions- und Importstandorten nicht gelingt, leisten wir mit Hyperlink unseren Beitrag zu diesem Ziel.
H₂News: Setzen Sie eher auf Neubau oder Umrüstung?
Frau Alvermann-Schuler: Im Rahmen von Hyperlink legen wir – wie übrigens auch viele andere FNBs – den Schwerpunkt konsequent auf Umrüstung. Mit einem Anteil von 70 Prozent basiert unser geplantes Hyperlink Wasserstoffnetz zu großen Teilen auf bestehenden Erdgasleitungen.
H₂News: Warum bevorzugen Sie die Umrüstung alter Erdgasleitungen?
Frau Alvermann-Schuler: Der Umbau bestehender Leitung ermöglicht es, auf dem Weg zur Energiewende Zeit und Ressourcen zu sparen. Außerdem ist diese Herangehensweise deutlich nachhaltiger und günstiger als ein Neubau. Das Errichten neuer Leitungen setzt über mehrere Kilometer das Ausheben eines entsprechenden Rohrgrabens voraus, der auf beiden Seiten von einem Arbeitsstreifen umgeben ist. Neben dem Transport der Rohrleitungen selbst ist zudem der Einsatz schwerer Maschinen erforderlich, um diese in den Graben zu heben. Um diese Umweltbelastungen auszugleichen, folgen auf die Bauphase stets umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen. Bei Umbauprojekten ist dies anders. Eine Baustelle ist hier in den meisten Fällen nicht größer als 100 mal 100 Meter. Die eigentliche Baugrube ist in der Regel nur so groß wie ein kleines Wohnzimmer.
H₂News: Wie ist es überhaupt möglich, Erdgasleitungen umzurüsten, wenn wir aktuell noch auf die Versorgung mit Erdgas angewiesen sind?
Frau Alvermann-Schuler: Streng genommen gibt es zwei Erdgasnetze. Erdgas ist ein Naturprodukt, das in unterschiedlichen Qualitäten vorkommt. Dabei wird zwischen hochkalorischem H-Gas und niederkalorischem L-Gas unterschieden. Die Zuordnung ergibt sich aus dem Brennwert, also der Energiemenge in Kilowattstunden, die aus einem Kubikmeter Erdgas erzeugt werden kann. Ein Kubikmeter L-Gas kann etwa neun Kilowattstunden Energie produzieren, H-Gas etwa elf Kilowattstunden. Um eine Vermischung der Gasqualitäten zu vermeiden, werden sie in getrennten Netzen transportiert. Da das niederkalorische Erdgas in Deutschland nahezu aufgebraucht ist, haben wir bereits jetzt große Teile unserer Netze auf H-Gas umgestellt. In diesem Prozess wurden einige Leitungen frei, die zuvor für L-Gas genutzt wurden. Diese machen wir nun bereit für den Transport von Wasserstoff.
H₂News: Wie viele Leitungskilometer sind das ungefähr?
Frau Alvermann-Schuler: Das Fernleitungsnetz von Gasunie Deutschland hat insgesamt eine Länge von 4.500 Kilometern. Mit Hyperlink bringen wir 1.000 Kilometer in das Wasserstoffkernnetz ein, von denen circa 70 Prozent auf bestehenden Leitungen basieren. Auch wenn diese Pipelines teilweise bis zu 50 Jahre alt sind, sind sie voll funktionstüchtig und in exzellentem Zustand. Das haben sowohl der TÜV als auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) überprüft. Um die Leitungen für den Transport von Wasserstoff umzubauen, müssen vor allem die verbauten Armaturen und Dichtungen ausgetauscht werden. Dadurch sind nur punktuelle Baumaßnahmen erforderlich, die mit einer geringen Beeinträchtigung des Umfelds und relativ niedrigen Investitionskosten einhergehen.
H₂News: Welchen Anteil hat Wasserstoff aktuell an Ihrem Geschäft, und wie soll es das in den nächsten Jahren entwickeln?
Frau Alvermann-Schuler: Momentan verdienen wir natürlich noch kein Geld mit dem Transport von Wasserstoff, da wir noch am Aufbau unseres Netzes arbeiten. Perspektivisch wird Wasserstoff den Großteil unseres Geschäftes ausmachen. Start und Ziel der Entwicklung sind damit bekannt. Der Weg dorthin hängt jedoch von vielen Faktoren ab, die wir zurzeit nicht vollständig einschätzen können. In jedem Fall werden wir den Wasserstoffhochlauf gemeinsam mit unseren Partnern mit ganzer Kraft unterstützen.
H₂News: Sie haben am Anfang kurz das Thema Wasserstoffspeicher angesprochen. Haben Sie auch Projekte zur Wasserstoffspeicherung geplant?
Frau Alvermann-Schuler: Gasunie Deutschland – und damit mein Arbeitgeber – engagiert sich als FNB ausschließlich im Bereich des Wasserstofftransports. Natürlich spielen Speicher auch im Kontext von Hyperlink eine wichtige Rolle. Hier liegt der Fokus darauf, mit unserer Infrastruktur die Anbindung wichtiger Speicherstandorte an das Wasserstoffkernnetz anzubinden. Dazu sind wir mit unterschiedlichen Partnern im Gespräch.
H₂News: Bei Ihnen klingt das jetzt fast schon einfach. Sehen Sie auch Herausforderungen beim Wasserstoffhochlauf?
Frau Alvermann-Schuler: Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei im Grunde um eine Frage der Haltung, die ich auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen immer wieder beobachten kann. Hyperlink geht wie all unsere Projekte auch mit Herausforderungen einher. Auf der anderen Seite ist es unser Auftrag, eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten – heute mit Erdgas und morgen mit Wasserstoff. Zu klagen bringt uns auf diesem Weg nicht weiter. Als wichtiger Transformationsprozess fordert die Energiewende unseren vollen Einsatz und bringt komplexe Aufgaben mit sich. Gleichzeitig war der Umgang mit Veränderungen schon immer ein integraler Bestandteil unseres Geschäfts. Das jüngste Beispiel dafür ist der Wegfall der Gaslieferungen aus Russland infolge des Ukrainekriegs. Auch hier waren wir gefordert, schnell neue Lösungen zu finden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Mit der gleichen Einstellung, mit der wir diese Herausforderungen gemeistert haben, gehen wir nun auch an unsere Wasserstoffprojekte heran.
H₂News: Frau Alvermann-Schuler, vielen Dank für das Gespräch!
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